Aerob – Anaerob
Es war einmal ein in die Jahre gekommener Läufer, der ab und zu von zwei jungen Sportlern besucht wurde. Gerne hörten sie sich Erzählungen aus dessen Glanzzeit an. An einem regnerischen Tag stellten die jungen Athleten die Frage: „Kannst du uns etwas zum Thema aerob-anaerob berichten?“ Der erfahrene Läufer nahm die zwei Jungspunde mit in seinen Kartoffelkeller und sagte zu ihnen: „Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr mir die gesamten Kartoffeln von diesem Keller in die Speisekammer neben der Küche bringen würdet. Einer von euch versucht, dies so schnell wie möglich zu erledigen, der andere, hingegen, erledigt diese Arbeit ruhig und gemütlich.“ Gesagt – getan. Während der erste im Laufschritt die Strecke zwischen dem Keller, der Treppe und der Speisekammer zurücklegte, begann der zweite seine Arbeit mit Bedacht. Nach einiger Zeit war der erste so müde, seine Beine schmerzten, sein Pulsschlag erholte sich nicht mehr, so dass er sich setzen und erst mal ausruhen musste. Der zweite, hingegen, leerte bis auf die letzte Kartoffel den Keller und war keineswegs entkräftet. Wer arbeitet nun im aeroben, wer im anaeroben Bereich?
Jeder, der sich mit Ausdauersport beschäftigt, stößt irgendwann einmal auf die Wörter aerob und anaerob. Die Muskeln benötigen vom Körper zur Verfügung gestellte Energie, um arbeiten zu können. Und die Bereitstellung dieser Energie kann folgendermaßen erfolgen:
- Aerob: mit Sauerstoff ablaufender Bereich = die Sauerstoffaufnahme ist größer als der Sauerstoffverbrauch. Dies bedeutet, dass der Körper unter Belastung ausreichend Sauerstoff zur Verfügung hat. Fette und Kohlenhydrate werden unter Hinzunahme von Sauerstoff so verstoffwechselt, dass kein (bzw. kaum) Laktat in den Muskeln entsteht. Diese Art der Energiegewinnung findet über die roten Muskelfasern statt, da diese den Sauerstoff aufnehmen. Aerobe Trainingsbelastung bedeutet längeres Laufen bei niedrigem Puls, dabei wird die Grundkondition ausgebaut. Bei dieser Trainingsvariante geht es in erster Linie um die Fettverbrennung.
- Anaerob: ohne Sauerstoff ablaufender Bereich = die Sauerstoffaufnahme ist kleiner als der Sauerstoffverbrauch. Die Kohlenhydrate im Körper werden ohne ausreichend Sauerstoff durch Milchsäuregärung in Energie umgewandelt, das sogenannte Laktat (Salz der Milchsäure) entsteht. Bei Trainingsphasen in diesem Bereich werden kaum Fette verbrannt, da der Körper nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung gestellt bekommt. Aus diesem Grund ist die anaerobe Energiebereitstellung zeitlich befristet, die Muskeln übersäuern zusehends und Leistungsabfall droht. Die anaerobe Energiegewinnung findet in den weißen Muskelfasern statt. Diese Trainingsvariante soll daher nur gezielt und mit Bedacht durchgeführt werden, damit effektive Leistungssteigerung und Muskelaufbau erfolgen können.
Und was ist nun die aerob-anaerobe Schwelle?
Diese Grenze beschreibt die höchstmögliche Belastungsintensität für den Körper, bei der ein Gleichgewicht zwischen der Bildung und dem Abbau von Laktat besteht. Kurz gesagt: die Dauerleistungsgrenze eines Sportlers liegt an der aerob-anaeroben Schwelle, an der die Sauerstoffaufnahme dem Sauerstoffverbrauch entspricht. Diese Schwelle lässt sich mit bewusstem und gezieltem Training „nach oben“ verschieben. Das heißt, dass die höchstmögliche Belastungsintensität zeitlich ausgebaut werden kann.
Fazit der Geschichte: der erste Sportler, der die Aufgabe hatte, die Arbeit so schnell wie möglich zu erledigen, arbeitete im anaeroben Bereich – die Energiebereitstellung in seinem Körper war durch die schnell ausgeführte Tätigkeit zeitlich bedingt. Der zweite junge Mann führte seine Aufgabe im aeroben Bereich durch – er war zu Beginn zwar etwas langsamer, dafür konnte er aber nahezu unbegrenzt seine Order erfüllen. „Seht ihr“, sagte der alte Mann, „ein Training im aeroben Bereich ist sinnvoll für die Grundlagenausdauer. Denn: durch Langsamkeit wird man schnell!“